Ein persönlicher Blick auf die emotionale Übergriffigkeit in der Hundeszene

Es gibt Themen, die machen keinen Applaus. Aber sie sind wichtig!

In den letzten Jahren beobachte ich eine Tendenz im Zusammenleben von Mensch und Hund, die nicht nur irritierend ist, sie ist gefährlich. Für den Hund. Und auch für den Menschen.

Es geht um das, was viele heute „Beziehung“ nennen. Oder besser gesagt: was sie dafür halten.

Da wird vom „gemeinsamen Schwingen“ gesprochen, von der „feinen Verbindung“, von „achtsamer Kommunikation“. Der Hund soll fühlen, spüren, antworten, präsent sein, Rücksicht nehmen. Und das am besten immer. Er soll nicht jagen. Nicht bellen. Nicht fordern. Nicht stören.

Was nach Tiefe und emotionalem Feingefühl klingt, ist oft nichts anderes als:

👉 emotionale Übergriffigkeit – getarnt als Beziehung.

Denn was da passiert, ist keine Verbindung auf Augenhöhe. Es ist eine Form der Vereinnahmung.

Der Hund wird zur Projektionsfläche für ungelöste Themen. Für Selbstwertfragen. Für emotionale Sehnsüchte. Für ein Bedürfnis nach Nähe, das nicht mehr in den zwischenmenschlichen Raum passt.

Und plötzlich ist der Hund nicht mehr Hund – sondern Spiegel.

Oder Therapeut.
Oder Kindersatz.
Oder der „einzige, der mich wirklich versteht“.

Ich sage das nicht, um zu verurteilen. Sondern um besser hinzusehen, wenn wir Hunde wirklich lieben!

Denn genau in diesem „Ich meine es doch nur gut“ liegt die eigentliche Gefahr: Die Grenze zwischen Mensch und Tier verwischt. Der Hund wird emotional vereinnahmt. Und alles, was nicht zur idealisierten Vorstellung passt – Jagdtrieb, Lautstärke, Eigenständigkeit – wird wegtrainiert, unterdrückt oder weichgeredet.

Er soll kooperieren, aber nicht fordern.
Er soll Bindung zeigen, aber keine Grenzen setzen.
Er soll mitschwingen, aber niemals widerständig sein.

Kurz: Er soll funktionieren. Nur eben auf emotionaler Ebene.

Das Ergebnis: Ein Hund, der nicht mehr bei sich ist. Sondern in ständiger Anpassung lebt. Ein Hund, der gelernt hat, dass es sicherer ist, unauffällig zu sein. Ein Hund, der nicht geführt wird, sondern „gefühlt“.

Und ein Mensch, der tief berührt ist, aber letztlich allein.

Was oft als achtsame Kommunikation verkauft wird, ist in Wahrheit: Kontrollbedürfnis, emotionale Abhängigkeit und auch Verantwortungsvermeidung.

Denn wer wirklich in Beziehung tritt, hält Unterschied aus. Wer führt, braucht Klarheit. Und wer den Hund liebt, sieht ihn als eigenständiges Wesen, nicht als emotionale Verlängerung des eigenen Selbst.

Der Hund braucht keine perfekte Bindung. Er braucht:

  • Verlässliche Führung

  • Klarheit und Struktur

  • Körperliche Ausdrucksmöglichkeiten

  • Aufgaben, an denen er wachsen kann

  • Räume für Spiel, Konflikt, Ruhe, Jagdverhalten

Und vor allem: das Recht, Hund zu sein.

Nicht Partnerersatz. Nicht spiritueller Spiegel. Nicht seelischer Rettungsanker.

Ich bin überzeugt: Wahre Beziehung entsteht nicht durch emotionale Verschmelzung. Sondern durch gegenseitige Integrität. Wenn Mensch und Hund nebeneinander bestehen dürfen, jeder in seiner Rolle.

Nicht alles, was sich eng anfühlt, ist Verbindung. Nicht alles, was still ist, ist Frieden. Und nicht alles, was weich klingt, ist liebevoll.

Manchmal beginnt echte Beziehung genau da, wo wir aufhören, uns selbst im Hund zu suchen und beginnen, ihn wieder zu sehen.

Als das, was er ist: Ein fühlendes, denkendes, körperliches Tier mit Instinkt, Energie, Klarheit und Würde.

Und genau das macht ihn so kostbar.

Ich betone es immer wieder, der Hund muss Hund sein dürfen. Er muss alles tun dürfen, was er dazu braucht. Nur darf er dabei weder andere noch sich in Gefahr bringen. Das war es schon mit der Hundeerziehung. Fertig und Punkt.

Herzliche Grüße dein Kai & Lisbeth

„Damit Mensch und Hund sich verstehen“

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